Polyneuropathien
Zu den Polyneuropathien zählen erworbene und hereditäre Erkrankungen, die als Teil einer systemischen Erkrankung oder beschränkt auf den peripheren Nerven verlaufen können. Die Prävalenz liegt um 2,4-10%. Klinisch kommt es zu schlaffen Lähmungen/Paresen und deutlicher Verschmächtigung (Atrophie) der betroffenen Muskulatur und Reflexverlust. In unterschiedlichem Ausmaß sind sensible Störungen/Ausfälle vorhanden (z.B. Taubheit, Pelzigkeit, Kribbeln, Brennen), die eine Gang- und Standunsicherheit bewirken können.
Die Ursachen sind vielfältig. Am häufigsten ist die diabetische Polyneuropathie, die ca. ein Drittel aller Neuropathien ausmacht, gefolgt von alkohol-induzierten und medikamtös-induzierten Neuropathien. Den Rest bilden inflammatorische, immunvermittelte, hereditäre und idiopathische Neuropathien.
Eine gründliche klinische Untersuchung, Anamnese und Elektrophysiologie sind die Basis der Polyneuropathie-Diagnostik. Bringt eine umfangreiche Labordiagnostik (u.a. Ausschluss eines Diabetes mellitus, einer Borreliose, Kollagenose, Vaskulitis, Paraproteinämie, Hepatitis, Schilddrüsen-Dysfunktion…) keine Klärung der Neuropathie-Ursache, stehen an fakultativer Diagnostik noch Liquoruntersuchung, Nervenbiopsie und molekulargenetische Untersuchungen zur Verfügung.
Eine Einteilung der Neuropathien kann erfolgen durch folgende Kriterien:
- Verlaufsform: akut (bis zu 4 Wochen nach Auftreten der Symptome), subakut (4-8 Wochen), chronisch (Verläufe länger als 8 Wochen).
- Verteilungstyp: symmetrisch (am häufigsten distal-symmetrisch), asymmetrisch (Mononeuritis multiplex/Mononeuropathie)
- Vorliegen von Begleitsymptomen: Schmerzen, B-Symptomatik, autonome Neuropathie, Ataxie, Hirnnerven-Beteiligung
- Elektroneurografie: axonale/demyelinisierende Neuropathie
Rasche Diagnostik inklusive Nervenbiopsie ist indiziert bei akut bis subakut auftretenden Polyneuropathien (v.a. beim Multiplex-Verteilungstyp) mit rascher Progredienz, schmerzhaften Dysästhesien und Hinweisen für eine weitere Organbeteiligung.
Eine Ausnahme stellt die akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (AIDP, Guillain-Barré-Syndrom) dar.
Die Prognose und Behandlung ist abhängig von der Ursache der Polyneuropathie. In den meisten Fällen kommen zusätzlich physikalische Therapie, Hilfsmittel und Rehabilitationsmassnahmen zum Einsatz.