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Metabolische Myopathien, Glykogenspeicherkrankheiten und M. Pompe

Klinische Symptomatik

Primäre metabolische Myopathien sind Erkrankungen der Muskulatur, die auf genetisch bedingte Störungen des aeroben oder anaeroben Energiestoffwechsels beruhen. Gemeinsame Symptome metabolischer Myopathien sind belastungsinduzierbare Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, Kreatinkinaseerhöhungen und ggf. Muskelatrophie in sehr unterschiedlicher Ausprägung.

Zu angeborenen metabolischen Myopathien gehören:

Glykogenspeichererkrankungen

Inzidenz

Glykogenspeichererkrankungen sind seltene rezessiv erbliche Stoffwechseldefekte und kommen mit einer Inzidenz von 1:50.000-200.000 in Europa vor. Für die Muskulatur ist die Glykogenspeichererkrankung Typ 2 (GSD2 – Morbus Pompe) die häufigste Muskelglykogenspeichererkrankungen und umfasst etwa 40% aller bisher bekannten Muskelglykogenspeichererkrankungen mit einer Inzidenz von 1:40.000 bis 1: 350.000 in Europa. Weitere Glykogenspeichererkrankungen mit Beteiligung der Muskulatur sind GSD5 (McArdle-Myopathie mit Myophosphorylase-Mangel, die GSD3 (Cori-Forbes), und sehr selten GSD7 (Tarui), und die GSD4 (Anderson).

Ätiologie und Pathogenese der Glykogenspeichererkrankung Typ 2 / Morbus Pompe

Die Glykogenspeichererkrankung Typ 2 beruht auf einer verminderten Aktivität oder dem kompletten Fehlen des lysosomalen Enzyms alpha-1,4-Glukosidase (GAA), welches Glukose aus Glykogen innerhalb der zellulärer Lysosomen freisetzt. Die alpha-1,4- und alpha-1,6-Bindungen des Glykogens werden von der alpha Glucosidase optimal bei pH 4,5 aufgespalten (hydrolysiert). Aufgrund der Enzymaktivitäsminderung bzw. des Mangels der alpha Glukosidase resultiert eine lysosomale Glykogenspeicherung in Skelettmuskel, Herz, Leber, zentralen und peripherem Nervensystem. Neben dem GAA-Enzym-Mangel spielt die sog. Autophagie eine weiter ursächliche Rolle bei dieser Erkrankung. In vakuolisierten Muskelfasern ist der kontraktile Apparat (sog. molekularer Motor) nicht mehr vollständig intakt, so dass weniger oder sogar keine Kraft mehr entwickelt werden kann.

Ursächlich beruht der Enzymdefekt auf einem autosomal rezessiven Erbgang mit Mutationen im GAA-Gen („Acid-Alpha-Glucosidase Gene“) auf dem distalen Ende des Chromosom 17q23. Unterschiedliche Mutationen (Insertion und Deletionen) führen zu Missense- und Nonsense-Mutationen im GAA-Gen. Die häufigste Mutation im Erwachsenenalter ist die sog. -13 T>G IVS1 Spleißmutation in Intron 1. Inzwischen sind mehr als 500 pathgogene Mutationen in allen 20 Exonen des GAA-Gens bekannt. Eine pränatale Diagnostik kann mit Hilfe einer Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese durchgeführt werden.

Klinisches Spektrum der GSD II

Abhängig von Manifestationsalter ist ein Krankheitsspektrum abzugrenzen:

Infantile Form (Klassischer Morbus Pompe)

Diese schwerste Form einer GSD II manifestiert sich innerhalb der ersten 2 Lebensmonate und führt in der Regel unbehandelt im 1. Lebensjahr zum Tod. Die Säuglinge zeigen eine ausgeprägte rasch progrediente muskuläre Hypotonie und motorischen Retardierung (sog. „floppy infants“) mit Saug- und Trinkschwäche sowie Makroglossie. Es entwickelt sich respiratorische Insuffizienz durch eine diaphragmale Schwäche begleitet von einer progredienten hypertrophischen Kardiomegalie mit Herzrhythmusstörungen und seltener zusätzlicher Hepatopathie. Laborchemisch sind Transaminasenerhöhungen inklusive LDH und CK typisch. Die LDH-Werte sind meist höher als die CK-Werte. Die Enzymrestaktivität der Alpha-Glucosidase liegt unter 1%.

Spät-beginnende Form (late-onset: kindliche, juvenile und adulte Form)

Dieser häufigste Typ kann sich zu jedem Zeitpunkt ab der Kindheit manifestieren. Nahezu alle juvenilen Pompe-Kinder, deren Krankheitsbeginn nach dem 2. Lebensjahr liegt haben keine Kardiomyopathie aber eine progrediente proximal und axial betonte Myopathie des Beckengürtels. Die motorische Entwicklung kann deutlich verzögert sein. Im Verlauf wird insbesondere die Zwerchfellschwäche mit respiratorischer Insuffizienz und nächtlichen Episoden von Hypoventilation und Schlafapnoe auffällig. Dieser Typ umfasst auch alle milderen, sehr variablen Typen, die sich als langsam progrediente proximaler Myopathie mit zum Teil ausgeprägter Schwäche der axialen Rückenmuskulatur darstellt. Haupttodesursache ist die respiratorische Insuffizienz. In der Regel geben ältere Patienten ihre ersten Beschwerden um das dreißigste Lebensjahr an. Schnelles Rennen und Treppensteigen, sowie aus dem Stuhlaufstehen ohne Armhilfe sind häufig die ersten Symptome. Zusätzlich sind initial rasche Ermüdbarkeit der Muskulatur und unspezifische Muskelschmerzen vorhanden. Im Verlauf stehen die progrediente Gangstörung durch Atrophie der Rücken- und Beckenmuskulatur mit teilweise Rollstuhlpflichtigkeit und die ventilatorische Insuffizienz durch die Zwerchfellparese ganz im Vordergrund. Die Enzymrestaktivität der Alphaglucosidase liegt in der Regel zwischen 2 und 25%. Bei einem Teil der erwachsenen Patienten können eine Skoliose und sehr selten beim juvenilen Typ auch ein sog. rigid spine syndrome vorkommen. Wichtig ist eine Untersuchung des Gefäßsystems da sowohl an den hirnversorgenden Gefäßen wie auch an der Hauptschlagader Aussackungen (sog. Aneurysmata) selten vorkommen können. Ebenso muss auch im Erwachsenenalter auf Herzrhythmusstörungen untersucht werden.

Diagnostik

Die Diagnostik umfasst die Enzymologie mit Durchführung des sog. Trockenbluttest für die GAA-Enzymaktivität, die Bestimmung der Transaminasen, LDH und der Kreatinkinase. Bei positivem GAA-Trockenblut-Testergebnis muss zur Diagnosesicherung dann eine GAA-Genanalyse erfolgen. Ergänzend kann eine Elektrophysiologie mit EMG, ein Muskel-MRT, und heute selten ggf. die Muskelbiopsie mit Pathobiochemie und Elektronenmikroskopie durchgeführt werden. Initial empfiehlt sich eine kardiovaskuläre und pulmonale Funktionsabklärung in jedem Krankheitsalter. Zur Erfassung von Schlafbezogener Atemstörungen ist ggf. eine Nacht zum Monitoring in einem sog. Schlaflabor indiziert.

Therapiemöglichkeiten

Symptomatische Therapie

Allgemein wird eine proteinreiche und kohlenhydratarme Ernährung empfohlen. Da schnell Erschöpfung eintritt, wenn das Muskelglykogen nicht als Energiequelle genutzt werden kann, sind kleine additive Gaben von Glukose oder Fruktose als Energiequelle etwas hilfreich. Ausdauertraining ist sinnvoll, da sich hierbei der Muskel früher an Blutzucker und Fettsäuren als Energielieferant adaptiert. Die kardiologischen Maßnahmen und ebenso die therapeutischen Optionen bei Ateminsuffizienz entsprechen denen bei anderen neuromuskulären Erkrankungen. Auch bei Morbus Pompe wird die nicht-invasive Langzeitheimbeatmung mit Erfolg eingesetzt. Krankengymnastik und eine am Symptom orientierte Behandlung mit dem Ziel die Beeinträchtigung zu mildern ist möglich. Die Hilfsmittelversorgung muss im Krankheitsverlauf abgepasst werden.

Enzymersatztherapie bei M. Pompe

Seit 2006 steht ein zugelassenes gentechnisch hergestelltes rekombinantes humanes Enzympräparat (Glucosidase alpha) zur spezifischen Enzymersatztherapie zur Verfügung. Die Behandlung zeitlich und organisatorisch aufwändig und lebenslang notwendig. Das fehlende Enzym wird durch eine regelmäßig alle 2 Wochen stattfindende mehrstündige Infusion zugeführt. Da im Verlauf der Therapie insbesondere allergische Reaktionen auftreten können, sollte dies in einer fachlich und personell darauf eingestellten Praxis bzw. Klinik erfolgen. Im der Langzeitversorgung ist eine sog. Heiminfusionstherapie sinnvoll. Seit 2022 sind Studien zu zwei weiteren Enzymen für die Enzymersatztherapie abgeschlossen, die EU-Zulassung ist beantragt. Unterschiedliche Phase 1/2 Gentherapiestudien für den Morbus Pompe sind seit 2021 angelaufen.

Glykogenose Typ 5 McArdle Erkrankung

Die Glykogenspeichererkrankung Typ V ist nach dem Erstbeschreiber, dem englischen Kinderarzt Brian McArdle, benannt. Ursache ist der Mangel des Enzyms Myophosphorylase in der Muskulatur.

Inzidenz

Man geht von 1 Betroffenen pro 300.000 Menschen aus. Das bedeutet, dass man in Deutschland mit ca. 300 Erkrankten rechnet.

Ätiologie und Pathogenese der Glykogenose Typ 5 / McArdle

Der Myophosphorylase-Mangel ist eine angeborene, autosomal rezessiv vererbte Erkrankung der Skelettmuskulatur, andere Organe sind nicht betroffen, da das Enzym Myophosphorylase nur in der Muskulatur vorkommt. Mutationen im Myophosphorylase-Gen (PYGM) führen zu einer Störung des Abbaus von Glykogen in der Muskulatur und damit zu Störungen der Energiebereitstellung bei körperlicher Belastung.

Klinisches Spektrum der GSD 5

Die ersten Symptome werden meist im Kindes- oder jungen Erwachsenenalter berichtet. Nur in seltenen Einzelfällen manifestiert sich die Erkrankung mit sehr schwerem Verlauf im Neugeborenenalter.

Charakteristische Beschwerden sind vorübergehende, zum Teil aber auch persistierende, durch körperliche Belastung ausgelöste Muskelschmerzen, Muskelkrämpfe und -steifigkeit sowie Muskelschwäche. Der Schweregrad der Symptome kann sehr variable sein. Bei vielen Betroffenen kann es zu sog. akutem Muskelzerfall (Rhabdomylose) und zu Ausscheidung des Muskelfarbstoffs im Urin kommen (Myoglobinurie). Selten sind daher schwere Nierenfunktionsstörungen möglich. Nahezu alle Patienten können ein sog. „second wind“- Phänomen beobachten: d.h. die Betroffenen bemerken eine Linderung der Muskelschmerzen und Steifigkeit nach einer kurzen Pause und Belastungsreduktion. Nach langjährigem Krankheitsverlauf kann sich eine dauerhafte Muskelschwäche in Folge der Schädigung und des Umbaus der Muskulatur entwickeln.

Diagnostik

Muskelschmerz während oder nach Belastung, „second-wind“-Phänomen und Kreatinkinaseerhöhung (CK) sind Leitsymptome. Die klinische Untersuchung kann häufig unauffällig ausfallen. Laborunteruntersuchungen zeigen erhöhte CK-Werte und ggf. auch Transaminasenerhöhungen. Das EMG ist meistens unauffällig. Bei der Durchführung eines Belastungs-Ischämie-Tests kann der fehlende Anstieg der Laktatwerte im Blut nachgewiesen werden. Diagnostisch entscheidend ist häufig die Muskelbiopsie, die heute aber oft durch eine direkte Genanalyse ersetzt wird. Bei der McArdle Myopathie zeigt in der Muskelbiopsie für die Phosphorylase-Reaktion eine fehlende Anfärbung des Enzyms. Die pathobiochemische Aufbereitung des Muskels zeigt eine Glykogenerhöhung und den kompletten Verlust der Phosphorylase-Aktivität. Eine Gen-Mutationsanalyse des Phosphorylase-Gens erfolgt zur endgültigen Sicherung der Diagnose, und kann heute als Primärdiagnostik eingesetzt werden. Wenn in einer Familie die Mutation bekannt ist, kann eine pränatale Diagnostik durchgeführt werden.

Therapiemöglichkeiten

Bei der McArdle Myopathie steht bisher keine ursächliche Therapie in Form einer Gentherapie oder auch einer Enzymersatztherapie zur Verfügung. Bei dauerhaften Schwächen der Muskulatur ist das körperliche graduierte Training und die Physiotherapie sinnvoll. Bei orthopädischen Folgestörungen, wie Gelenkkontrakturen, können gelegentlich auch operative Maßnahmen notwendig werden. Symptomatisch am besten wirksam sind diätetische Maßnahmen z.B. durch gezielte Zufuhr von Glukose oder Fruktose kurz vor oder während körperlicher Belastungen. Eine Kombination von niedrig dosierter Gabe von Kreatinmonohydrat mit individuell angepasstem aerobem Training führt häufig zu einer langfristigen Verbesserung der Symptomatik und Steigerung der Leistungsfähigkeit (sog. second wind training). Eine sog. ketogene Diät ist sinnvoll und kann versucht werden.

Lipidspeichermyopathien

Störungen des Fettsäurestoffwechsels und der Fettsäure-beta-Oxidation führen zu intrazellulärer Speicherung von Triglyzeriden. Klinisch imponieren belastungsabhängige episodische Muskelschmerzen, Krämpfe und ausgeprägte Muskelschwäche nach muskulärer Langzeitbelastung und Fasten. Später kann eine Rhabdomyolyse und Myoglobinurie einsetzen. Die Kreatinkinasewerte können von normal bis deutlich erhöht variieren. Bei chronisch-progredienten Verläufen steht eine proximale Myopathie ohne signifikante Atrophie im Vordergrund. Eine kardiale Beteiligung ist selten möglich. Wichtige Formen stellen der sog. primäre Carnityl-Palmityl-Transferase-II-Mangel (CPT2) und die Q10-assoziierten Lipidmyopathien dar.

Diagnostik

Die Diagnostik umfassend Labor mit CK-Wert und Tandemmassenspektrometrie aus dem Serum, Elektrophysiologie, Muskel-MRT, Muskelbiopsie mit Pathobiochemie und Elektronenmikroskopie, sowie eine kardiopulmonale Abklärung. Ein Muskel-MRT kann besonders bei Erwachsenen zur Auswahl des geeigneten Biopsieorts hilfreich sei. Eine gezielte Gen-Mutationsanalyse erfolgt zur endgültigen Sicherung der Diagnose.

Therapiemöglichkeiten

Symptomatische Therapie: Vermeidung längere Nahrungskarenz. Spezialdiäten mit hohem Kohlehydratanteil (70%) und geringem Fettanteil (20%) können versucht werden. L-Carnitin Substitution bei primärem Carnitin-Mangel, ggf. Riboflavin und Q10 bei Q10 assoziierten Myopathien. Weitere Spezialtherapien sind im experimentellen Stadium.

Andere metabolische Myopathien

Myoadenylat-Desaminase-Mangel (MAD-Mangel)

Autosomal-rezessiv vererbte Störung, die in ca. 2% der Normalbevölkerung gefunden wird und klinisch oft nicht relevant ist. Klinisch imponieren belastungsinduzierte Myalgien, Muskelcrampi und vorzeitige Erschöpfbarkeit. Eine Ursachenabklärung auf eine 2. Muskelerkrankung sollte erfolgen.

Diagnostik

Die Diagnostik umfasst Labor, Elektrophysiologie, Gen-Mutationsanalyse und in Ausnahmen eine Muskelbiopsie mit MAD-Histochemie.

Therapiemöglichkeiten

Ein symptomatischer Therapieversuch kann in Ausnahmefällen als individueller Heilversuch mit oraler Ribose bei sehr starken persistierenden Myalgien versucht werden.

Forschung und klinische Studien

Die Forschungsprojekte des Instituts zu metabolischen Myopathien umfassen erweiterter Phänotyp-Korrelationen, sowie klinische Studien zur symptomatischen Therapie und molekulare Grundlage und neue Therapieoptionen wie Enzymersatztherapie insbesondere bei Morbus Pompe (siehe den Bereich Forschung).

Ansprechpartner im Institut

Prof. Dr. med. Benedikt Schoser
PD Dr. med. Stephan Wenninger
Dr. Federica Montagnese
Dr. Natalia Garcia-Angarita

Zuletzt geändert: Februar 2022