Klinikum Universität München // Jahresbericht 2014 - page 58

Kinder-und Jugendmedizin
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Impfunggegen
Bakterien
Die Industriehat dieSuchenachneuenAntibiotikaweitgehend
eingestellt. InfektiologenderDr. vonHaunerschenKinderklinik entwickeln
deshalb ImpfungengegenBakterien.
Die Erforschung neuer Antibiotika ist aufwendig und
teuer. Und sind dieMedikamente nachMilliardenin-
vestitionen einmal auf dem Markt, versprechen sie
dennoch nur begrenzten Umsatz. Denn Antibiotika
brauchen die Patientenmeist nur für kurze Zeit – an-
dersalseinMedikament etwagegenerhöhteBlutfett-
werte, das lebenslang geschluckt werden muss. So
hat sichdiePharmaindustrieweitgehendvonderEnt-
wicklung neuer Antibiotika verabschiedet. „Wirmüs-
sen uns darum Alternativen überlegen, wie wir vor
allem vielfach resistente Keime bekämpfen“, erklärt
Prof. Johannes Hübner vom Dr. von Haunerschen
Kinderspital.
EinemöglicheStrategie: Impfstoffegegengefährliche
Bakterien zu entwickeln. Darauf setzt das Team um
den Infektiologen. Bei einer Impfung schlucken oder
bekommen Menschen abgeschwächte Teile von Er-
reger-Molekülen (Antigene) gespritzt. Diese Antige-
ne sollen das Immunsystem des Impflings soweit sti-
mulieren, dass er bei einer echten Infektiongegendie
betreffenden Bakterien geschützt ist. Dem zugrunde
liegen das „Gedächtnis“ und die Zellen unserer Kör-
perabwehr.
Zwingende Voraussetzung für einen Impfstoff: An-
tigene zu finden, die wirklich das Immunsystem an-
kurbeln, ohne dass die ImpfungKrankheitssymptome
auslösen würde. In dieser Hinsicht hat sich Hübners
Team jetzt die sogenannten Enterokokken vorge-
knöpft. Das sindBakterien, die auch bei Kindern ver-
schiedene Erkrankungen wie Harnwegsinfektionen
oder Blutvergiftungen auslösen und die typischerwei-
se inKrankenhäuserngrassieren. Vieledieser Entero-
kokken sind bereits unempfindlich gegen diemeisten
Antibiotikageworden.
Die Forscher konzentrieren sich bei ihrer Suche nach
geeigneten Antigenen auf Moleküle, die sich auf der
Oberfläche der Bakterien – in ihrer Zellwand – befin-
den. Die Strukturen wechselwirken bei einer Infekti-
onmit dem Immunsystem – und erscheinen deshalb
wieprädestiniert, um sie ineinen Impfstoff zupacken.
In jahrelanger Detailarbeit haben die Wissenschaft-
ler sogenannte Kapselsaccharide und Teichonsäuren
isoliert. InMäuse injiziert, „lösendieseMoleküle eine
potente Immunantwort aus“, resümiert Hübner die
Ergebnisse jüngster Studien.
ImLaborhatdasTeamauch„monoklonaleAntikörper“
gegengenaudieseMoleküleentwickelt.Diesekünstlich
hergestelltenMoleküle binden passgenau an die Kap-
selsaccharideundTeichonsäuren.Siewerdengespritzt,
aktivieren bestimmte Teile des Immunsystems und
schützenMäuse vor Infektionenmit Enterokokken. Es
gibt sogarHinweise, dass dieAntikörper nochwirken,
nachdemdieTiere imLabormitEnterokokken infiziert
wurden–alsTherapieundnicht nur zurVorbeugung.
„Wir haben damit Grundlagenarbeit geleistet“, freut
sich Hübner über die Erfolge seiner Arbeitsgruppe.
Um daraus effektive Impfstoffe beziehungsweiseMe-
dikamente für den Menschen zu entwickeln und in
Studien zu testen, „muss jetzt diePharmaindustrieak-
tiv werden.“ Die hat ihr Interesse an den Konzepten
derMünchner Forscher auch schon signalisiert.
»WirmüssenunsdarumAlternativen
überlegen,wiewirvorallemvielfach
resistenteKeimebekämpfen«
Prof.Dr. JohannesHübner
InfektologeundKinderarzt am
Dr. vonHaunerschenKinderspital
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