Klinikum Universität München // Jahresbericht 2014 - page 64

Kinder-und Jugendmedizin
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»Unsere Jugendlichen
sind
besservorbereitet«
FrauBohata,wie langedauert der
Transitionsprozess?
Also, unsere Arbeit mit den Jugendlichen beginnt
im Idealfall abdem15.Lebensjahr.Dannsollensie,
wenn sie damit einverstanden sind, die ersteHälf-
tedesTerminsohneElternbeimKinderarzt auftau-
chen.Damit sieselbstständigerwerden.Außerdem
können sie jährlich andenWorkshops teilnehmen,
diewir veranstalten,werdendurcheinenSozialpä-
dagogen beraten und in regelmäßigen Einzelge-
sprächen auf die bevorstehenden Veränderungen
vorbereitet.
Waspassiert indiesenWorkshops?
Kurz gesagt, machen wir die jugendlichen CED-Patienten fit für dieErwachsenenmedizin. Undwir
machen ihnen klar, dass sie als junge Erwachsene
selbst die Verantwortung für ihre Krankheit über-
nehmenmüssen. Da geht es um Fragen wie: Wie
kann ich zu einem Experten über meine Krank-
heitwerden?Was erwartenErwachsenenärzte von
mir? Wie sprechen die mit mir? Wie spreche ich
beim Arzt selbst wichtige Fragen an? Aber auch:
Was muss ich wissen über Nebenwirkungen und
Wechselwirkungen vonMedikamenten?Was sind
besorgniserregendeSymptome, bei denen ichmich
sofort bei einemArztmeldensollte?Wichtig ist na-
türlichauch,welcheFaktoren–zumBeispielStress
– den Krankheitsverlauf beeinflussen können und
was man dagegen tun kann. Über solche Dinge
mache ich mit den Jugendlichen teilweise richtig
Frontalunterricht. Meist gefällt den Jugendlichen
ambesten, andereGleichaltrigemit ähnlichenSor-
genundFragenkennenzulernen.
GehenSieauch individuell auf dieBedürfnisse
derPatienten inderTransitionein?
Natürlich. Dafür sind die Einzelgespräche da. Da
geht esviel umdie individuelleKrankheitsgeschich-
te. Aber auchumFragen, wie esmit denFreunden
oder inderSchule läuft.Oderdarum,welcheRechte
undPflichtenman als chronischKranker hat, wenn
man zumBeispiel eine Berufsausbildung beginnt.
Über unsere Checkliste kriegen wir ja auch raus,
dassmanchegarnichtwissen,wie ihreMedikamen-
teheißen.Auf sowasgehenwirauch individuellein.
Wie langedauert der ganzeProzess?
In der Regel drei Jahre.Wir sehen diemeisten Ju-
gendlichen einmal im Quartal. Und mindestens
einmal jährlichzueinemausführlichenTransitions-
gespräch. Imersten JahrnachdemWechsel finden
dann noch zwei kurze Rückmeldegespräche statt.
Es ist schonziemlichaufwendig.Aberes lohnt sich:
ImVergleich zu Jugendlichen, diewir nicht beglei-
ten, sind unsere Patienten deutlich besser vorbe-
reitet. Das zeigen die ersten Rückmeldungen von
Jugendlichen, die in die Erwachsenenmedizin ge-
wechselt sind. Die wissen nach den drei Jahren,
was sie tun müssen. Die werden wirklich selbst-
ständigundkönnen sich, fallsdasnötig sein sollte,
auch besser gegen Eltern behaupten, die aus Sor-
geherausnicht loslassenkönnen.Wir arbeitenpa-
rallel ja auch mit den Eltern und versuchen, auf-
tauchende Konflikte zwischen Jugendlichen und
Eltern zu lösen.MancheEltern sindnach jahrelan-
ger Fürsorge für ihr chronisch krankes Kind erst
mal unsicher, wenn der Jugendliche plötzlich alles
alleinemachenwill.
LisaBohatabegleitet Jugendlichemit chronisch-entzündlichen
Darmerkrankungen (CED) vorundwährendderTransition.
LisaBohata
Diplom-Psychologin
am interdisziplinären
SozialpädiatrischenZentrum
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