Klinikum Universität München // Jahresbericht 2014 - page 56

Kinder-und Jugendmedizin
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»Wirbekommeneine immerbessere
Kombinationstherapiemit immer
besserenErgebnissen«
W
ir operieren jährlichetwa140Kindermit Tumoren
der inneren Organe oder Weichteile“, sagt Prof.
Dietrich von Schweinitz, Direktor der Kinderchi-
rurgischen Klinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital. Die
Klinik ist damit eines der größten entsprechendenHäuser in
Europa und ein sogenanntes Referenzzentrum, an dem die
Mädchen und Jungen mit besonderer Expertise und Erfah-
rung behandelt werden. Therapiert werden beispielsweise
Lebertumoren, Nierentumoren, Keimzelltumoren, endokrine
Tumoren, dieHormoneausscheiden, undganz selteneTumo-
renwieBauchspeicheldrüsenkrebs.
Am häufigsten sind allerdings Operationen von Kindernmit
Neuroblastomen. Diese bösartigen, lebensbedrohlichen Tu-
moren des frühen Kindesalters haben ihren Ursprung in
einem Teil des Nervensystems und wachsen vor allem im
Bauch. Diese Lage macht Operationen besonders schwie-
rig und gefährlich, weil im Bauchraum die meisten wichti-
gen Gefäße verlaufen, dicht am Tumorgewebe. Manche der
Neuroblastome wachsen derart aggressiv, dass sie förmlich
mit den Gefäßen verkleben. Deshalb sind die entsprechen-
denEingriffe, bei denenmöglichst der ganzeTumor entfernt
werden soll, „aufwendig, zeitintensivundgefährlich“, sovon
Schweinitz.
IndiesenFällen ist Erfahrungbesonderswichtig, um abschät-
zenzukönnen:Wiehoch istdasRisiko,wennmandenganzen
Tumor entfernenwill?Wieweit kannmangehen?Wie radikal
muss operiert werden undwie viel minimalenTumorrest darf
manzurücklassen, umdenPatientenguteÜberlebenschancen
zu bieten? „Eine guteOP steigert dieÜberlebenschancen um
20Prozent“, schätzt derKinderchirurg.Und fügt an, „dassdie
Fünf-Jahres-ÜberlebensratenderKinder insgesamtbei80Pro-
zent liegen.“
DieÄrzteumdenDirektor leitenaußerdemdasdeutscheRegis-
ter für LebertumorendesKindesalters. Dort werden alle kind-
lichenLebertumoren, sogenannteHepatoblastomeundhepa-
tozelluläre Karzinome, aus Deutschland, Österreich und der
deutschsprachigen Schweiz erfasst. Dies dient vor allem der
Verbesserung der Behandlung, einer Kombination aus Opera-
tion und einer Chemotherapie, die laufend evaluiert wird. Die
Datenvon inzwischenweitüber400kleinenPatientenseit1989
wurden und werden regelmäßig verglichen und ausgewertet.
EntsprechendhabendieÄrzte ihreTherapieempfehlungen im-
merwiedererneuert.
DasErgebnis
„Wir bekommen eine immer bessere Kombinationstherapie
mit immerbesserenErgebnissen“,wieDietrichvonSchweinitz
betont. De facto überlebten vor 25 Jahren nur 30 bis 35 Pro-
zentallerPatientenmit frühkindlichemLeberkrebs.Heutewer-
den85Prozent derMädchenund Jungengeheilt. „Das zeigt“,
so der Direktor weiter, „wie groß der Lerneffekt aus dem
Register ist.“
Das Register läuft ohne Zeitlimit weiter. Parallel sind die
Münchner Kinderchirurgen federführend beteiligt an einer
neuen internationalen Therapiestudie mit Kliniken aus Euro-
pa, denUSA,Australien,Neuseeland, Japan,Chile,Argentinien
undBrasilien.DieStudie ist deshalbwichtig,weil kindlicheLe-
bertumorensoseltensind, gleichzeitigaberAussagenüberdie
besteTherapiedann immer zuverlässigerwerden, jehöher die
ZahlderStudienteilnehmer ist. IndieserStudiewirderstensdie
WirksamkeitverschiedenerChemotherapeutikagegeneinander
verglichen, von denenman bislang nicht weiß, welches bes-
ser ist.Und zweitenswollendieMedizinerherausfinden,wann
mandiekindlichenLebertumoren stattmit einerOperation lie-
bermit einer Transplantation einer Spenderleber therapieren
sollte. „Diese Studiemit Kliniken aus so vielen unterschiedli-
chenLändernmit unterschiedlichenGesetzenundPhilosophi-
en ist eineeinmaligeSache“, schwärmt vonSchweinitz.
Über eine Kooperation mit Kollegen aus den USA hat der
Kinderchirurg erstmals auch genügend Daten über den Ver-
lauf vonangeborenenLebertumorenanalysiert.Seit Jahrzehn-
tenwaren sichExperten darin einig, dass dieseKinder kaum
Überlebenschancenbesitzen. „AberalswirdiesevielenDaten
hatten, haben wir gesehen, dass das nicht stimmt.“ Für den
Arzt bedeutet das eine gute Erkenntnis: „Auch diese Kinder
könnenwir immermit Operation undChemotherapie behan-
deln, umdenKrebs zubeseitigen.“
Selbst kleinsteKinder könnenanTumorenerkranken.DieBehandlung
dieserGeschwulste zählt zudenSpezialgebietenderKinderchirurgischen
Klinik imDr. vonHaunerschenKinderspital.
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