Klinikum Universität München // Jahresbericht 2014 - page 47

Kinder-und Jugendmedizin
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Ein
Junge
ausKualaLumpur
Es ist derAlbtraum aller frischgebackenenEltern: Kaum ist es auf derWelt,
erkrankt dasKind schwer. So auchder inzwischenneunjährigeMuhammad
aus dermalaysischenHauptstadt KualaLumpur.
Seitdem fünftenLebensmonat leidet eraneiner le-
bensgefährlichenDarmentzündung,dienichtmehr
verschwindet, an Symptomen wie starken Bauch-
schmerzen und blutigen Durchfällen. Die Ärzte in
Malaysia tippen bei ihrer Diagnose auf einen der
üblichenVerdächtigen:Morbus Crohn oder Colitis
ulcerosa, bei denen das Immunsystem das eigene
Darmgewebe angreift. Dochdie dagegenüblichen
Therapien versagen. Über Jahre. Die ratlosenMe-
dizinerwendensichan ihreKollegenausMünchen
und schicken zuerst eineBlutprobedes jungenPa-
tienten. Alle üblichen funktionellen Routineunter-
suchungender Blutzellenbleibenunauffällig. Eine
Diagnose, auf die dieÄrzte getippt hätten, erweist
sichals falsch.
Es folgtdiesystematischeSequenzierungderGene
des Jungen. „Und da habenwir eine neueMutati-
on ineinemGengefunden, das für einen reibungs-
losen Ablauf der Körperabwehr wichtig ist“, sagt
derDirektordesHaunerschenKinderspitals. Insei-
ner Laufbahn hat er bislang ein rundes Dutzend
solcher neuer seltener Krankheiten entdeckt. Jetzt
startetdieeigentlicheForschungsarbeit:dieKrank-
heit in Zellkulturen und in Versuchenmit Mäusen
genau zu beschreiben. Zu verstehen, über welche
molekularenMechanismen eine einzelneMutation
diekomplexenSymptome verursachenkann. Fina-
lesZiel: eineTherapiezuentwickeln, sei eseinMe-
dikament, das in jene molekularen Mechanismen
eingreift, oder eineGentherapie, bei derdasdefek-
teGendurcheingesundes ersetztwird.
Alsder Junge schließlich2014persönlich imHaun-
erschen untersucht wird, zeigt sich: Er leidet nicht
nur an einer Darmentzündung, sondern ist auch in
seinergeistigenEntwicklungweit zurückgeblieben.
Er kann zum Beispiel nur Sätze mit maximal vier
Wörtern bilden – viel zuwenig für sein Alter. Und
er hat Krampfanfälle. „Die Krankheit ist also noch
weit komplexer, alswir zunächst aufgrund der Be-
richte angenommen haben“, sagt Christoph Klein.
So sinddieMünchner Ärzte schwerenHerzens vor
dermöglichenBehandlungzurückgeschreckt:einer
Transplantation von Stammzellen eines Spenders,
bei der unter anderem alle Immunzellen komplett
erneuert werden. Angesichts der neurologischen
Symptome ist diese kräftezehrende Therapie nicht
nur zu riskant, sie würde auch die Nervenzellen
nichterreichen.Sokehrtder Junge leiderohneHei-
lung in seine Heimat zurück. Das Schicksal eines
Kindesmit einer seltenenErkrankung.
EineeigenegemeinnützigeStiftunghatChristophKleingegründet,umdieErforschungseltenerErkrankungenund
dieBehandlungkrankerKinderzu fördern. „Damit irgendwannkeinKindmehranseinerseltenenErkrankungsterben
muss“,wieersagt–unabhängigvonnationalen, ethnischenoderfinanziellenAspekten.DieStiftungunterstütztein
weltweitesNetzwerkvonÄrztenundWissenschaftlern,diesichgemeinsam fürdieErforschungderGrundlagenseltener
Erkrankungeneinsetzenundneue,dringendnötigeTherapieverfahrenentwickeln.
Die„CARE-FOR-RARE-STIFTUNG”
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DasSpendenkontoder Stiftung
Care-for-Rare-Stiftung
IBANDE93630500000000003533
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