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AFRIKA

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nichts. Alles Standard wie in Europa vor

30 Jahren – und das ist gut. Es fließt

sogar Wasser aus den Hähnen. Die

vier Einzelzimmer und das Doppelzim-

mer der neuen Kinderchirurgie wer-

den regelmäßig gereinigt und sind, so

der Münchner Experte, „hygienisch

ganz vorne dabei“.

Vielleicht lächelt Seifu deshalb so

ansteckend, als er geduldig auf unsere

Fragen antwortet, obwohl heute noch

Stunden mit dem Skalpell auf ihn war-

ten. Fünf Jahre schon hat er als Chir-

urg Kinder behandelt, ohne Facharzt

für Kinderchirurgie zu sein. Derlei

Spezialisten gibt es in Äthiopien bis-

her nicht. Deshalb haben die Jimma

University und die LMU-Medizin das

„JimmaChild Project“ gegründet,

gefördert vom Deutschen Akademi-

schen Austauschdienst und mit Huber-

tus als Projektleiter der deutschen

Seite.

Regelmäßig fliegen Experten aus

ganz Deutschland in das ostafrikani-

sche Land, um im OP ihre Expertise

weiterzugeben – und zwar für Ein-

griffe, die in Äthiopien häufig vorkom-

men, wie die Korrektur angeborener

Fehlbildungen. „Das sind meist sehr

komplexe Operationen, die hohe Kunst

der Kinderchirurgie, die die Kollegen

exzellent lernen“, sagt Hubertus, „da

sitzt jede Naht, bis zum letzten Stich,

so wie es sein soll.“

Seifu, 37 Jahre jung, verantwortet

das ausgezeichnet laufende Projekt

auf äthiopischer Seite. „Für uns ist es

eine einzigartige Chance, an neue Fer-

tigkeiten heranzukommen“, sagt der

Mann. Er ist ehrgeizig und geschäfts-

tüchtig zugleich, betreibt noch eine

Privatklinik. „Warum“, sagt er, „soll

ich nach Übersee gehen, um zu arbei-

ten? In den USA bin ich nur ein Äthio-

pier, hier bin ich Dr. Seifu.“ So bleibt

er in Jimma und hat Ziele und Träume:

dass Equipment und OP-Künste ihm

eines Tages erlauben, auch schwerst-

kranke Kinder zu operieren. Oder dass

ihm spezialisierte OP-Schwestern

assistieren. Und dass er zwei weitere

äthiopische Chirurgen findet, die sich

im „JimmaChild Project“ zu Kinderchir-

urgen weiterbilden lassen.

Meist operiert er Verletzungen

nach Unfällen, die ständig passieren in

Äthiopien. Oft drängt sich eine ganze

Traube von Menschen vor der OP-Tür.

Familie, Nachbarn und Freunde der

Patienten starren dann so aufgeregt

wie ängstlich wie hoffend durch jede

Ritze, die einen Blick auf die selt­

samen Geschehnisse im Behandlungs-

raum erlaubt. „Ich mache jede Menge

Familien glücklich“, sagt Dr. Seifu

nach 20 Minuten Pause vom Alltag,

„und genieße das richtig.“

Seifu schätzt die Zurückhaltung sei-

ner deutschen Kollegen und Superviso-

ren. Abseits vom OP, wo sie das Sagen

haben müssen, begegnen die deut-

schen Fachleute ihren äthiopischen

Kollegen auf Augenhöhe: „Wenn mir

etwas auffällt“, erklärt Jochen Hubertus,

ALTES KLINIKGEBÄUDE

NEUES KLINIKGEBÄUDE

»Wenn mir etwas auffällt,

spreche ich es an, dann

bringen die ihre Ideen ein,

dann diskutieren wir eine

mögliche Lösung, die allein

die einheimischen Kollegen

umsetzen können oder

auch nicht.«

»Warum soll ich nach

Übersee gehen, um zu

arbeiten? In den USA bin

ich nur ein Äthiopier,

hier bin ich Dr. Seifu.«