AFRIKA
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Seit gut 15 Jahren arbeiten die LMU-Medizin und die
Jimma University zusammen. Prof. Matthias Siebeck ist
die Seele dieses bemerkenswerten Engagements.
ass sich Prof. Matthias Siebeck pudel-
wohl fühlt in Äthiopien, weiß man
schon nach wenigen Stunden. Dazu
muss man ihn auch nicht kennen,
sondern nur beobachten. Die ein-
heimischen Gepflogenheiten hat er verinnerlicht.
Egal, ob der bestellte Bus mal wieder zu spät kommt.
Egal, ob bei der Buchung im Hotel etwas schiefge-
laufen ist. Egal, wie viele Leute ihre Wünsche und
Fragen in den fünf kurzen Tagen in der Universitäts-
stadt Jimma an ihn herantragen. Egal, ob die Toilette
im Seminargebäude der medizinischen
Fakultät mal wieder verstopft ist.
Matthias Siebeck bleibt stoisch
und gelassen. „Wer in Äthiopi-
en erfolgreiche Kooperati-
onsprojekte betreiben will,
braucht Langmut und
Ruhe“, sagt der 63-Jähri-
ge. Seit 15 Jahren fädelt
der Chirurg immer neue
Partnerschaftsinitiativen
der LMU-Medizin mit
der Jimma University
ein. Man kann sich gar
nicht vorstellen, wenn
man ihn so sieht, dass Sie-
beck in Äthiopien nervös
werden könnte – obwohl er es
behauptet.
Herr Prof. Siebeck, wie viel muss man von
der äthiopischen Seele verstehen, um Universitäts-
partnerschaften erfolgreich zu gestalten?
Nicht viel. Man muss vor allem die deutsche Seele
verstehen. Sehen Sie, unser direkter Kommunikati-
onsstil – mit der Tür ins Haus fallen, pampig sein –
wird in vielen Ländern als unhöflich wahrgenom-
men. Mit deutscher Effizienz und Gründlichkeit sind
Sie aufgeschmissen. Da muss man sich halt anpas-
sen – und trotzdem authentisch bleiben. Das kann
man lernen. Wer das nicht schafft, wird offene Türen
schnell zufallen sehen.
Wie gehen Sie an die Zusammenarbeit mit den
Äthiopiern heran?
Die eine Philosophie war und ist, dass das Ganze auf
Gegenseitigkeit beruhen muss. Wir als LMU-Medizin
sind keine humanitäre Einrichtung. Wir sind nicht
philanthropisch, wir haben nichts zu verschenken, an-
ders als vielleicht Entwicklungshilfe-Organisationen.
In diesem Sinne muss auch die äthiopische
Seite aktiv werden, die Kooperation
muss auch für unsere Mitarbeiter
und Studenten „einen Gegen-
wert bieten“ oder so ähnlich.
Es geht nicht um Geld,
sondern darum, dass bei-
de Seiten „etwas davon
haben“.
Wie äußert sich das?
Das äußert sich auch
darin, wie wir unseren
Partnern in Äthiopien
gegenübertreten. Wir drän-
geln uns nicht vor und de-
gradieren die nicht zu Statis-
ten und sagen nicht: „Wir zeigen
euch jetzt mal, wie man das richtig
macht“, sondern wir kooperieren auf
Augenhöhe. Die Einstellung sollte sein, dass
wir nach Äthiopien kommen, um zu lernen.
Dafür brauchen Sie aber auch von LMU-Seite Leute,
die dafür offen sind!
Ganz genau. In diesem Sinne wähle ich die Studen-
ten und Kooperationspartner auf unserer Seite aus.
Unsere Leute müssen einen Lerneffekt haben oder
die Chance bekommen, hier unten wissenschaftlich
zu arbeiten.
Der Campus der Jimma University ist hügeliges Ter-
rain, 35 bis 40 Fußballfelder groß – und eine einzige
ungesicherte Baustelle. Man kann sich nicht wirk-
lich vorstellen, dass es jemals anders war. Wer
Strippenzieher
Art
bester
Prof. Matthias Siebeck
Oberarzt an der Klinik für
Allgemeine, Viszeral-, Gefäß- und
Transplantationschirurgie
»Wer in Äthiopien erfolgreiche
Kooperationsprojekte betreiben will,
braucht Langmut und Ruhe.«