Klinikum Universität München // Jahresbericht 2014 - page 43

Kinder-und Jugendmedizin
43
FrauSchwarz, habenSienach so vielen
Jahrennochdarangeglaubt, dass
Frederik jemalseine richtigeDiagnose
bekommenwürde?
Ehrlich gesagt: nein. Nicht nach zehn
Jahren zwischen Hoffen und ständigen
Enttäuschungen. Als dieDiagnose kam,
habenwir unsbeide sogefreut.Wirwa-
ren total aus demHäuschen. Das konn-
te keiner begreifen, weil es allen ande-
ren absurd vorkommt: Wie kann man
sich über eine schlimme Diagnose so
freuen?Aberwirwaren so dankbar, Sie
glaubennicht,wasdasLebenmit einem
Kindund füreinKindbedeutet, daseine
unerkannte selteneErkrankunghat.
Was ist passiert?
Seit dem neunten Lebensmonat hat-
te Frederik immer wieder hohes Fieber.
Damit sindwir von einemArzt zum an-
derengerannt.Aberkeinerkonnteetwas
andemKind feststellen.Bismaleinerdie
Lunge geröntgt und eine schwere Lun-
genentzündung festgestellt hat. Diekam
immerwieder, obwohl ermit Antibiotika
behandeltwurde.Unddannging ichmit
ihmnachHause,underhattenoch38°C
Temperatur abends. Das habe ich den
Ärzten erzählt, aber diehabenmich ab-
gespeist. Einer hat tatsächlich gesagt:
MancheKinder sindhalt etwaswärmer.
Die haben mich als hysterische Mutter
behandelt. Aber Frederik bekam immer
wiederüber40°CFieber.Sosindwir im-
mer wieder durch die Gegend gezogen
zumnächstenKrankenhaus.Als Frederik
ein Jahr alt war, kam ein Arzt auf die
Idee, wir sollten ihnmal „durchfiebern“
lassen,umseine Selbstheilungskräftean-
zukurbeln. Das hat ihn fast umgebracht.
Danach sind wir ins Haunersche nach
Münchengefahren.Daswar2005.
Wusstendiegleich,wasSache ist?
Nein. Aber die Ärzte dort haben sich
gekümmertundzumBeispiel seineLun-
ge richtig untersucht. Da zeigte sich,
dass die Lunge voller Viren und Bakte-
rien steckte. Völlig untypisch für ein so
kleines Kind. Da war für die Ärzte klar,
dassFrederikeinen Immundefekt haben
mussundschwerkrank ist.Daswarend-
lich etwas Handfestes. Obwohl keiner
wusste, was für ein Immundefekt es ist.
Vorherwollteniemandetwasdavonwis-
sen, dasser ernsthaft krank ist.
Hat der neueUmstand substanziell
etwasgeändert?
Ja, immerhinbekammandieLungenent-
zündungen durch eine aggressive Anti-
biotika-Therapie indenGriff. Einigerma-
ßen jedenfalls. Doch das Alltagsleben
bliebbeschwerlich. InseinemerstenKin-
dergartenhabendieErzieherinnennicht
eingesehen, dasserbeispielsweiseWan-
dertagekörperlichnicht packt.Unddass
man höllisch aufpassen muss, dass er
sich nicht unterkühlt, sonst bekommt er
prompt einen Infekt und ganz schnell
wieder eine Lungenentzündung. In sei-
ner erstenSchulehabenwir späterÄhn-
liches erlebt. Weil er halt keine richtige
Diagnose hatte, haben die einfach nicht
begriffen, dass er chronisch krank ist. Er
sieht ja völliggesund aus! Aber Frederik
fühlt sich ständig krank, hat dann halt
mal imKlassenzimmer denKopf auf den
Tisch gelegt und so weiter. Und dann
hießes, er sei nicht richtigerzogen.Weil
er so oft krank ist und nicht zur Schule
gehen kann, ist Frederik oft allein und
ausgeschlossen vom normalen Leben.
Dasmacht ihn sehr traurig undwütend.
Wirwarendamalseine richtigunglückli-
che Familie. In der nächstenSchulewar
esbesser.
Undwas passiert jetzt,wo feststeht,
welcheErkrankungerwirklichhat?
Wir haben uns für eine Transplantation
von Stammzellen entschlossen und su-
cheneinenBlutstammzellspender.Denn
seine Erkrankung verschlimmert sich.
Inzwischen hat er auch Entzündungen
inMagen und Darm undmuss deshalb
eine strengeDiät einhalten. Das ist sehr
mühsam. Dazu kommt, dass Menschen
mit einem STAT-1-Defekt ein hohes Ri-
siko haben, an einem Tumor zu erkran-
ken.MeinSohn könnte also schonmor-
gen irgendwo in seinem Körper Krebs
bekommen. Deshalb haben wir uns für
die Stammzell-Transplantation entschie-
den. Ichweißnicht,ober jemalseinnor-
malesLeben führenwird.AberdieseBe-
handlung ist dieeinzigeChance, dass er
weiterleben kannund es ihmbesser ge-
henwirdals jetzt.
Wowollen siedieTransplantation
machen lassen?
AmKlinikum der Universität München.
Da sind die einzigen Ärzte, denen ich
vertraue.
PetraSchwarzausBochumhat einenSohn, der seitGeburt an schwer chronisch
krank ist. Dochbis zumHerbst 2014hatteder jetzt elfjährigeFrederik keine
Diagnose.DannwiesendieÄrztedesHaunerscheneinen seltenen Immundefekt
nach – eineMutationdesSTAT-1-Gens. FrauSchwarzweiß,was es heißt,
unverstandenvonArzt zuArzt zu rennen.
1...,33,34,35,36,37,38,39,40,41,42 44,45,46,47,48,49,50,51,52,53,...132