Klinikum Universität München // Jahresbericht 2014 - page 35

ComprehensiveCancerCenterMünchen
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Palliativmedizin
DiePflege inderPalliativmedizin–gerade fürKrebspatienten–
ist vielleicht die intensivsteüberhaupt,weil diePflegekräfte
Tag fürTagmit SterbenundTod, Angst undTrauer konfrontiert
sind.Michael Schneider kann sich trotzdemkeinebelohnendere
Aufgabevorstellen.
M
anchmal erwacht einer seiner Patientenmitten in der Nacht und hat ei-
nen „Horrortrip“, wie Michael Schneider es nennt. Eine Panikattacke.
Dann „muss ichmich sofort einfühlen“, sagt der Pflegeleiter der Pallia-
tivstation in der Klinik undPoliklinik für Palliativmedizin inGroßhadern. Ihn umar-
men. Ihn ablenken. Ihm ein beruhigendesMedikament geben. Mit ihm über seine
Angst sprechen. DieAngst vor demTod.
Der 43-Jährige pflegt Menschen, die alle wissen, dass sie an ihrer Erkrankung –
meistKrebs–sterbenwerden.Erarbeitet ineinemHeilberuf ohnedasErfolgserleb-
niseinerTherapie, dieheilt.Dennoch fasziniert ihndie IntensitätderPalliativpflege,
auchnachmehr als zwölf Jahren: „Ichhabe hier immer dasGefühl, dass ich etwas
sehr Sinnvollesmache.“Die stetePräsenz derGewissheit desTodes schafft einun-
vergleichliches Verhältnis zu den Patienten: „Du musst als ganzer Mensch dabei
sein.“FürSchneider eine riesigeHerausforderung,mit jedemPatientenneu: „mich
demMenschenmaximal zuzuwenden, ummichgleichzeitig abzugrenzen.“ Profes-
sionell ineinem Job zuwirken, der vielmehr ist als ein Job. DenPatientendiebest-
möglichemedizinischeVersorgungundPflege zugebenund „sich immer bewusst
zu sein,was ichhier eigentlichmache.“
In seinen ersten Jahren als Pfleger, auf Normalstationen, habe ihn Tod und Ster-
bengeschreckt. Dann aber, sagt Schneider, „hatmichdas immermehr angezogen,
weil ichmir vorgestellt habe, wie intensiv und erfüllend das sein kann.“ So kam er
indiePalliativstationnachGroßhadern.Hart seidasamAnfanggewesen.Zu lernen,
was die Patienten dort von ihm erwarten: Empathie und Professionalität im glei-
chenMaße,Verständnis fürdieAngst und fürdieTrauer.Aber keinMitleid. „ZuBe-
ginnhabe ichmichzu sehr vonmeinenGefühlenmitreißen lassen“, sagt Schneider,
„aberwasbringt einweinenderPfleger denPatienten?“
„Toughmussmanhierschonsein“,erzählterweiter, „undmutig.“DennaufderPal-
liativstationdringtdieEndlichkeitdesLebens jedenTag inalleein,diehierarbeiten.
Und zwar real, nicht als abstrakte Vorstellung.Wer sich nicht intensivmit Sterben
undTodauseinandersetzt und indieser „Sache“unsicher ist, „wirdkeinguterSter-
bebegleiter seinunddenPatienten keine ehrlicheAntwort geben können.“Auf die
finalenFragen.Denndiekommen.Ganzsicher. „Das lernstdunicht ineinerWeiter-
ImGegensatzzurkurativenMedizin
mitdemZiel derHeilungvonEr­
krankungen,willdiePalliativmedizin
SymptomewieSchmerzen lindern
undLebensqualitätverbessern.
Pallium (lat.=Mantel)bedeutetdie
SorgeumdenPatientenundsein
Wohlbefinden.
DiePalliativmedizin:
–bejahtdasLebenunderkenntdas
SterbenalsnormalenProzessan
–beabsichtigtwederdieBeschleuni­
gungnochdieVerzögerungdesTodes
– integriertpsychologischeund
spirituelleAspektederBetreuung
–bietetUnterstützung,umPatienten
zuhelfen, ihrLeben soaktivwie
möglichbis zumTodzugestalten
–bietetAngehörigenUnterstützung
währendderErkrankungdes
Patientenund inderTrauerzeit
–beruhtauf einemTeamansatz,um
denBedürfnissenderPatientenund
ihrerFamilienzubegegnen, auch
durchBeratung inderTrauerzeit,
fallsnotwendig
– fördertLebensqualitätundkann
möglicherweiseauchdenVerlauf
derErkrankungpositivbeeinflussen
InsgesamtstehenzehnBetten fürPatienten inderKlinik fürPalliativ­
medizinzurVerfügung.DerPalliativdienstbieteteineBetreuung
indenweiterenKlinikendesLMU-Universitätsklinikumsanbeiden
Standorten fürstationärePatienten,Campus Innenstadtund
CampusGroßhadern.NebenderstationärenVersorgungbietetdie
KlinikeinambulantesVersorgungsangebotmiteinerPalliativ­
ambulanzundeinemspezialisiertenambulantenPalliativteam,das
PatientenzuHausebetreut.AußerdemgehörtzurKlinik fürPalliativ­
medizindieChristophorusAkademie.DieKlinikwirdgeleitetvon
Prof.ClaudiaBausewein.
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