Klinikum Universität München // Jahresbericht 2013 - page 40

PETROS
VORDEROP
Ein 19-jähriger Mann aus der Stadt
Harar im Osten Äthiopiens. Petros,
soseinName, lebtmit seinensieben
Geschwistern, seinem blinden Vater
und der Mutter in einer kleinen
Lehmhütte ohne fließendesWasser.
Schon seit Jahren wächst in seinem
Schädel langsam, aber unaufhaltsam,
einTumorheran.Er verformt, für jeden
sichtbar, seinGesicht.Auf dem rechten
Auge kann er kaum noch sehen. Ohne
die Entfernung der Geschwulst würde
Petros früher oder später erblindenund
sterben.
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Mund-Kiefer-GesichtSChirurgie
Die Radiologen des Klinikums erfassen
mit der Computertomografie von allen
Seiten Petros’ Schädel, um die exakte
LagederGeschwulst zubestimmen. Sie
stellen einen verknöcherten Tumor dar,
im größten Durchmesser zwölf Zenti-
meter, in Form und Dimension einem
Straußenei ähnlich. Ein gutartiger Tu-
mor zwar, dennoch lebensbedrohlich.
Die Basis des Gebildes liegt auf dem
Gaumendach, seine Spitze reicht bis in
die vordere Schädelgrube. Er füllt die
Nasennebenhöhlen aus und verdrängt
die Augenhöhlen und das Jochbein
rechts.DieAugäpfel findenkeinenPlatz
mehr in den Augenhöhlen, die eine
schlitzartigeForm angenommenhaben.
Der Tumor droht weiter in die Schädel-
grube vorzudringen und wichtige Ge-
hirnfunktionen zubeeinträchtigen.
Wie lässt sich dieser Tumor entfernen,
ohne die intakten Strukturen zu zerstö-
ren?Undwie lässt sichdasentstehende
„Loch“undPetros’ Gesicht rekonstruie-
ren?Die Planungdauert lange, weil die
nötigen Lösungen nicht im Lehrbuch
stehen. Die zentralen Fragen klären die
Ärzte mithilfe der computertomogra-
fischen Aufnahmen, die die Anatomie
der Knochen hoch aufgelöst darstellen.
Undmit anderen bildgebenden Verfah-
ren, die auch Weichteile und Blutgefä-
ße visualisieren. Die Ärzte schicken die
Datensätze aller Bilder zu vier verschie-
denenFirmen:Materialise, KLSMartin,
Brainlab und DePuy Synthes. Die Inge-
nieure und Techniker füttern ihre Spe-
zial-Software mit allen verfügbaren In-
formationen und erstellen virtuelle und
reale3D-Modelle vonPetros’ Schädel.
In einer Internet-Konferenz mit den Experten der Firmen „spielen“ die Ärzte am
Computer alleVariantendurch, wie sie dieGeschwulstmöglichst schonend entfer-
nen.Waskannman riskieren? ImmerwiedermüssensichdieOperateurevorstellen,
wiedie realeSituation samtGewebeundBlutgefäßenaussehenwird. Sieklärenab,
welcheDefekteentstehen.Und sie legen schließlichdieGrenzen ihrer Schnitte fest
und lassenSchablonen erstellen, die sie später anPetros’ Schädel anlegenwerden
unddie ihnenbei der realenOperationexakteVorgaben fürdienötigenSägeschnit-
tegeben.AufgrundderzuerwartendenGrößederDefekteamSchädelbeginnendie
Planungen für dieRekonstruktion. UmPetros’ Schädel wiederherzustellen, braucht
es verschiedene „Ersatzteile“.
Diagnose
VirtuelleOperation
Planung
1...,30,31,32,33,34,35,36,37,38,39 41,42,43,44,45,46,47,48,49,50,...122