AFRIKA
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rau Koenemann, warum sind Sie
in Jimma?
Ich habe 2016 bereits am studenti-
schen Austauschprogramm der LMU
und der Jimma University teil-
genommen. Das hat mir wahnsinnig gut gefallen.
Durch die Kommunikation mit den äthiopischen
Studenten habe ich viele bereichernde Erfahrungen
gemacht und die Ärzte hier als sehr warm und auf-
nehmend empfunden. Deshalb wollte ich das un-
bedingt fortsetzen.
Was bringt Ihnen das?
Medizinisch nehme ich unglaublich viel Faktenwis-
sen mit und bessere praktische Fähigkeiten. Die
Studenten hier sind unglaublich intelligent. Die wis-
sen sehr, sehr viel. Das regt mich an, ebenfalls mehr
zu wissen und mich nicht auf die Ressourcen zu ver-
lassen, die ich in Deutschland habe. Es ist ein ande-
res Lernen. Aber ich finde es bewundernswert, wie
viel dabei rauskommt. Ich wurde auch für das The-
ma Müttersterblichkeit sensibilisiert. Die Gründe
hierfür gehören nach wie vor zu den häufigsten To-
desursachen weltweit. Ich weiß jetzt, wie wertvoll es
ist, einen guten und schnellen Zugang zu geburts-
medizinischer Versorgung zu haben. Darüber hin-
aus sind die Ärzte hier extrem gut, was körperliche
Untersuchungen angeht oder auch bei der Basis-Di-
agnostik in der Notaufnahme. Auch da kann ich mir
einiges abgucken, was mir in Deutschland hilft.
Und menschlich?
Menschlich hilft es einem, sich ganz anders mit The-
men wie Krankheit, Gesundheit und auch dem Tod
auseinanderzusetzen. Weil hier eine ganz andere
Mentalität herrscht. So kann man sich selbst besser
positionieren und sich überlegen, wie man damit
umgehen möchte. Und hier mit so starken Kontras-
ten zu diesen Themen konfrontiert zu sein, stärkt
den Respekt vor Leuten, die anders denken als man
selbst.
Macht das wirklich einen so großen Unterschied?
Ja, ich kann nur aus meinen Erfahrungen aus der
Geburtsheilkunde sprechen. Da gab es ein paar Bei-
spiele, wo die Mütter zwar sehr, sehr traurig waren,
wenn sie ihr Kind verloren hatten während der
Schwangerschaft. Gleichzeitig kam dann aber: Ich
habe andere Kinder, um die ich mich kümmern
muss. Ich kann jetzt nicht aufgehen in meinem Leid
oder meiner Trauer. Oder auch Kinder, die während
der Geburt gestorben sind, wo die Leute mehr oder
weniger gesagt haben: Das gehört auch dazu. Ster-
ben ist einfach ein Teil unseres Lebens. Und Krank-
heit passiert einfach. Ja, das ist schon anders als in
Deutschland. Ich kann da nicht für jeden sprechen,
aber oft hört man so eine „Warum ich?“-Mentalität.
Und hier scheint es eher eine Akzeptanz zu sein:
Krankheit gibt es, Tod
gibt es. Die Leute hier
verstehen, dass es sie auf-
grund von mangelnder
Gesundheitsversorgung,
mangelnder Hygiene,
mangelnden Ressourcen
eben besonders hart
trifft.
»Und hier mit so starken
Kontrasten zu diesen Themen
konfrontiert zu sein, stärkt den
Respekt vor Leuten, die anders
denken als man selbst.«
»Durch die Kommunikation mit den
äthiopischen Studenten habe ich viele
bereichernde Erfahrungen gemacht
und die Ärzte hier als sehr warm und
aufnehmend empfunden.«