ASIEN
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err Prof. Netz, wie steht es
um die Kinderkardiologie in
Vietnam?
Es ging in den vergangenen zehn
Jahren stetig aufwärts. Vietnam
ist ja kein Entwicklungsland
mehr, und die jungen Ärzte sind extrem wissbegierig
und motiviert.
Wie hat Ihre Tätigkeit im Ausland begonnen?
Die Stiftung „Herz für Herz“ des Ehepaars Lejeune
hat 2005 ein neues Projekt gesucht und ist auf mich
zugekommen. Die beiden hatten bis dahin herz-
kranke Kinder nach Deutschland einfliegen und für
sündhaft teures Geld operieren lassen. Ich habe ih-
nen gezeigt, dass man diese Kinder in ihren Hei-
matländern „nur“ mit einem Katheter-Labor und
ärztlicher Expertise retten könnte. Und man am
Ende des Tages viel mehr erreicht hätte. Das hat die
Stiftung überzeugt – und so haben wir ein passen-
des Land gesucht.
Warum Vietnam?
Die geistigen Wurzeln meiner Verbindung zu Viet-
nam reichen fast 50 Jahre zurück. Für mich als jun-
ger Student war der Vietnam-Krieg ein großes Ver-
brechen. Und der Einsatz des Entlaubungsmittels
Agent Orange erst recht. Dieses Gift verursacht
noch heute Erkrankungen in der Bevölkerung, unter
anderem Herzfehler bei Kindern. Schon damals
habe ich mir gewünscht, diesem Land einmal sinn-
voll zu helfen.
Sie haben 35 Jahre darauf gewartet.
Ja, ich habe mir einen Traum erfüllt. Als Student
wollte ich Missionsarzt in einem Entwicklungsland
werden. Verschiedene Zufälle haben das verhindert.
Aber der Traum steckte immer noch in mir. Und als
ich dann die Chance hatte, in Vietnam zu helfen, war
ich sofort begeistert.
War der Aufbau eines Katheter-Labors
dort problematisch?
Nein, Dr. Lê, ein hervorragender Kinderkardiologe,
hat nach einem passenden Standort in Vietnam
gesucht. Da Nang kam sofort infrage, weil die örtli-
che Verwaltung fortschrittlich eingestellt und un-
kompliziert ist. Außerdem gehören die umgebenden
Highlands zum Einzugsgebiet der Klinik. Dort wurde
besonders viel Agent Orange eingesetzt.
»Die geistigen Wurzeln meiner
Verbindung zu Vietnam reichen fast
50 Jahre zurück. Für mich als junger
Student war der VietnamKrieg ein
großes Verbrechen.«
Der kleine Patient
hat Angst, als er zur
Behandlung abgeholt
werden soll. Die Mutter
muss ihn trösten.
Prof. Netz am Bett eines frisch
behandelten Patienten. Nach
dem Katheter-Eingriff sind die
Kinder sofort wach.