fortgeschrittenes Prostatakarzinom
Moderne Hormonmanipulation
Für die Entdeckung der Hormonabhängigkeit des Prostatakarzinoms wurde 1966 der Nobelpreis der Medizin verliehen. Eine Testosteronentzugstherapie steht auch heute noch am Anfang der Behandlung des fortgeschrittenen und metastasierten Prostatakarzinoms. Diese wird seit Jahren entweder als Tablette (z.B. Bicalutamid) oder als Depotspritze („3- oder 6-Monatesspritze“, z.B. Trenantone® oder Eligard®) durchgeführt. Neue Entwicklungen haben jedoch zu einem besseren Verständnis des komplizierten Wechselspiels zwischen den männlichen Geschlechtshormonen und dem Prostatakarzinomwachstum geführt. Hieraus resultierte eine Reihe von modernen Alternativen, welche die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenen und metastasierten Prostatakarzinomen nachhaltig verbessern können und auch in der Urologischen Klinik und Poliklinik der LMU München angeboten werden.
XTANDI® (Enzalutamid)
XTANDI® ähnelt in seiner chemischen Struktur dem in der Klinik langjährig etablierten Bicalutamid, bindet jedoch stärker an den Wirkrezeptor und ist zusätzlich in der Lage, intrazelluläre Signalwege nachhaltig zu unterbinden und somit ein Tumorwachstum effizient zu verzögern (1). In einer großen internationalen Studie konnte an 1199 Patienten, die zuvor schon eine Chemotherapie erhalten hatten, ein Überlebensvorteil von insgesamt 4,8 Monaten bei insgesamt nur geringen Nebenwirkungen festgestellt werden (2). Die Effektivität von XTANDI® vor einer Chemotherapie wird aktuell in einer großen wissenschaftlichen Studie überprüft. XTANDI® wird in einer Dosis von 160mg 1x täglich als Tablette verabreicht.
ZYTIGA® (Abiraterone)
Testosteron, der bedeutendste hormonelle Wachstumsfaktor für das Prostatakarzinom, wird in der Regel im Hoden sowie - in geringerem Ausmaß - in der Nebenniere produziert. Vor kurzem konnte jedoch entdeckt werden, dass Tumorzellen auch in der Lage sind, selbstständig Testosteron zu produzieren. Dieser Signalweg kann durch ZYTIGA® wirkungsvoll blockiert werden. Der Einsatz von ZYTIGA® wurde in zwei großen internationalen Studien konnte an 1088 bzw. 1195 Patienten vor (3) und nach (4) Chemotherapie untersucht. Es konnte in beiden Studien eine Verlängerung des Gesamtüberlebens von jeweils knapp 5 Monaten nachgewiesen werden. ZYTIGA® wird als Tablette verabreicht und muss, um Nebenwirkungen im Hinblick auf Blutdruck und Leberfunktion zu vermindern, in Kombination mit einem Kortisonpräparat eigenommen werden.
(1) Tran C et al. 2009. Development of a second-generation antiandrogen for treatment of advanced prostate cancer. Science 324:787-790(2) Scher HI et al. 2012. Increased survival with enzalutamide in prostate cancer after chemotherapy. N Engl J Med 367:1187-1197
(3) Ryan CJ et al. 2013. Abiraterone in metastatic prostate cancer without previous chemotherapy. N Engl J Med 368:138-148
(4) De Bono et al. 2011. Abiraterone and increased survival in metastatic prostate cancer. N Engl J Med 364:1995-2005
Moderne Behandlung von Knochenmetastasen
Das Prostatakarzinom metastasiert vornehmlich in die Knochen des Stammskeletts, wobei es sich in bis zu 80% der Fälle um sog. osteoblastäre Knochenmetastasen handelt. Die Linderung metastasenassoziierter Symptome und Beschwerden sowie die Verhinderung metastasenassoziierter Komplikationen wie Querschnittssyndromen oder Frakturen bilden einen zentralen Anteil einer fortschrittlichen Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms. Die Behandlung mittels Bisphosphonaten (z.B. ZOMETA®) stellt bisher die etablierte Standardtherapie dar. In der Urologischen Klinik und Poliklinik der LMU München stehen darüber hinaus zusätzliche, moderne Therapiekonzepte zur Verfügung.
XGEVA® (Denosumab)
Bei XGEVA® handelt es sich um einen Antikörper, der spezifisch in die Regulation des Knochenabbaus eingreift. In einer wissenschaftlichen Studie an 1423 Patienten ohne Metastasen konnte durch XGEVA® das Auftreten von Knochenmetastasen um 4,3 Monate hinausgezögert werden (5). In einer weiteren Studie an Patienten mit Knochenmetastasen konnte das Auftreten metastasenassoziierter Komplikationen im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie um mehr als 3 Monate hinausgezögert werden (6). XGEVA® wird 1x alle 4 Wochen als s.c.-Injektion (120 mg) verabreicht. In der Regel ist eine zusätzlich Gabe von Kalzium und Vitamin D3 notwendig.
XOFIGO® (Radium-223, Alpharadin)
XOFIGO® ist ein Alpha-Strahler, der wichtigen Knochenbausteinen ähnelt. Hierdurch kann er lokal und hochselektiv im Gebiet der sich neubildenden Knochenmetastasen seine strahlentherapeutische Wirksamkeit entfalten. Eine große wissenschaftliche Studie an 922 Patienten mit symptomatischen Knochenmetastasen konnte für XOFIGO® einen Überlebensvorteil von annähernd 3 Monaten zeigen (7). Die Behandlung mit XOFIGO® erfolgt in enger Kooperation mit der Klinik für Nuklearmedizin der LMU München.
(5) Smith MR et al. 2012. Denosumab and bone-metastasis-free survival in men with castration-resistant prostate cancer: results of a phase 3, randomised, placebo-controlled trial. Lancet 379:39-46(6) Fizazi K et al. 2011. Denosumab versus zoledronic acid for treatment of bone metastases in men with castration-resistant prostate cancer: a randomised, double-blind study. Lancet 377:813-822
(7) Parker C et al. 2013. Alpha emitter radium-223 and survival in metastatic prostate cancer. N Engl J Med 369:213-223
Neue multimodale Therapiekonzepte
Die Daten des Tumorzentrums München und anderer Untersuchungen zeigen, dass sich bei Patienten mit Prostatakarzinom und Metastasen die Überlebenszeit in den letzten 30 Jahren nicht wesentlich gebessert hat (s. Abbildungen).
Dies bedeutet für uns, dass die angebotenen ‚systemischen’ (medikamentösen) Behandlungen alleine nicht ausreichend sind, insbesondere jungen Patienten in bestem Allgemeinzustand die Überlebenszeit deutlich zu verlängern. Diese Tatsache hat uns nicht ruhen lassen, hier im Sinne der Betroffenen einen Fortschritt zu suchen.
Im Rahmen einer europäischen multizentrischen Studie wird aktuell geprüft ob ein multimodales Therapiekonzept, bestehend aus einer operativen Therapie im Sinne einer radikalen Prostatektomie, einer Hormontherapie sowie einer modernen Behandlung der Knochenmetastasen, z.B. mittels gezielter Bestrahlung (‚IMRT’), Cyberknife oder XOFIGO®, zu einem messbaren Überlebensvorteil bzw. Symptomverbesserung der Patienten führt. Hierbei werden Patienten, die bisher am ehesten einer Hormontherapie zugeführt wurden, primär operiert werden, um somit eine bestmögliche Tumorzellellreduktion zu ermöglichen.
Dieser Ansatz fußt auf wissenschaftlichen Untersuchungen, die zeigen, dass Metastasen nur aus dem Primärherd, also der Prostata, ausgesendet werden. Durch die Operation wird also verhindert, dass weitere Metastasen entstehen. Vorhandene (Mikro)Metastasen werden dadurch höchstwahrscheinlich in ihrem Wachstum nicht verändert, obwohl auch ein solcher Effekt beschrieben wurde. Im Anschluss erfolgt die individuelle, interdisziplinäre Weiterbehandlung des Patienten in enger Kooperation mit den Kliniken für Nuklearmedizin, Strahlentherapie, Tumororthopädie und ggf. weiteren Kliniken der LMU München.