Diagnostik

Eine eingehende Anamnese mit besonderem Augenmerk auf Begleitmedikation, Erkrankungen des unteren Harntraktes sowie neurologische Begleiterkrankungen ist bei jedem Patienten unverzichtbar. Die körperliche Untersuchung beinhaltet u. a. die digital-rektale Untersuchung (DRU). Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die DRU das Prostatavolumen deutlich unterschätzt und daher wenig hilfreich ist. Allerdings geben Konsistenz und Form der Prostata (Knoten, Asymmetrie, Induration) möglicherweise einen Hinweis auf das Vorliegen eines Prostatakarzinoms. Die Urinanalyse zum Ausschluss einer Harnwegsinfektion und die Bestimmung des PSA gehören zur Routinediagnostik. Dabei ist zu beachten, dass das PSA verschiedene Zwecke erfüllt: zum einen ist es ein sog. „proxy“-Parameter zur Bestimmung der Prostatagrösse, falls diese nicht transrektal sonographisch bestimmt werden kann. Des Weiteren dient die PSA-Bestimmung dem Ausschluss eines Prostatakarzinoms. Dabei sollte bedacht werden, dass eine PSA-Bestimmung hier nur sinnvoll erscheint, wenn ein erhöhter Wert das weitere Vorgehen verändern sollte. Es gelten darüber hinaus die üblichen Bestimmungen bei der Vorsorge eines Prostata-Karzinoms. Falls die Patienten bei der Erstuntersuchung einen akuten Harnverhalt präsentieren sollten, kann eine Katheterisierung mit zusätzlicher medikamentöser Begleitmedikation (Alpha1-Adrenozeptor-Antagonist wie Alfuzosin oder Tamsulosin) versucht werden. Bei Rezidiven eines AHV ist einebaldige chirurgische Intervention unumgänglich. Validierte Fragebögen wie z.B. der internationale Prostata-Symptom-Score (IPSS; Download des IPSS-Fragebogens als PDF-Datei) ermöglichen die Quantifizierung  der Symptome.

Eine Frage zur Beeinträchtigung der Lebensqualität wird ebenfalls gestellt. Nach Summation der Punkte wird die Ausprägung der subjektiven Symptomatik in mild (0-7 Punkte), mäßig (8-18 Punkte) und schwer (19 Punkte und mehr) festgestellt (siehe Abb). Patienten mit einem Punktewert von weniger als 8 Punkten und geringer Beeinträchtigung der Lebensqualität werden „nicht aktiv“ behandelt („watchful waiting“). Darunter versteht man die regelmäßige Kontrolle und Re-Evaluation der Befunde mit der Möglichkeit einer späteren Intervention. Patienten mit mäßiger oder schwerer Symptomatik werden einer weiteren Diagnostik zugeführt, die beim urologischen Facharzt stattfinden sollte. Dabei wird eine Restharnmessung mit Hilfe eines transabdominellen Ultraschalls durchgeführt; dabei sollten Restharnvolumina von ≤50 ml vorliegen. Der transrektale Ultraschall dient vornehmlich der Grössenbestimmng der Prostata. Die sichere Diagnose eines Prostatakarzinoms ist auf Grund der unspezifischen sonographischen Charakteristika eines Prostatakarzinoms nicht möglich. Von der Prostata-Größe kann sowohl die Wahl der medikamentösen Therapie als auch die Art des operativen Eingriffes abhängig gemacht werden. Eine Harnstrahlmessung stellt eine nicht-invasive Möglichkeit zur Evaluation des Grades infravesikaler Obstruktion sowie Kontraktionskraft der Blasenmuskulatur dar. Da eine Differenzierung zwischen infravesikaler Obstruktion (auf Grund von BPH, BPE, Harnröhrenstriktur, etc.) und erniedrigter Kontraktionskraft der Blasenmuskulatur hiermit nicht möglich ist, ist die Interpretation der Befunde oft schwierig.

 

uroflow

Harnstrahlmessung. Typischer Verlauf eines „normalen“ Befundes (unten) sowie eines Patienten mit gutartiger Prostatavergrösserung (oben).

 

Eine weitere Differenzierung kann, wie oben beschrieben, aussschliesslich mit speziellen invasiven Tests wie der urodynamischen Untersuchung gemacht werden. Hierbei wird durch Messung der intravesikalen, urethralen und intraabdominellen Druckverhältnisse (annähernd bestimmt mit einem transrektalen und transurethralen Katheter) eine Differenzierung ermöglicht. Verschiedene Nomogramme ermöglichen dabei die Bestimmung einer möglichen Blasenauslassobstruktion. Diese Technik ist vor allem bei Patienten mit komplexer neurologischer Anamnese und bekannter Blasenfunktionsstörung vor einer chirurgischen Intervention unerlässlich. Wie bereits geschildert ist die Bestimmung des Obstruktionsgrades schwierig. Neue Studien haben daher den Stellenwert der sonographischen Blasenwanddickenmessung untersucht. Die Rationale dabei ist, dass jede infravesikale Obstruktion mit einer Zunahme der Blasenwanddicke (Hypertrophie der Blasenmuskulatur) einhergeht. Der Grad der Obstruktion korreliert daher mit der Dicke der Blasenmuskulatur (siehe Abbildung).

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Ultrschall-Messungen der Blasenwanddicke. Die Mukosa (untere Linie) und die Adventitia der Blase (obere Linie) erscheinen hyperechogen, die hypocheogene Fläche zwischen den Linien repräsentiert die  Blasenmuskulatur (Detrusor)  (A) Keine BOO, B-D verschieden stark ausgeprägte BOO Aus: Oelke et al. Eur Urol. 2006 Dec 22.

 

Die zystoskopische Beurteilung der Harnröhre und Harnblase ist v. a. bei Patienten mit Mikro- oder Makrohämaturie zum Ausschluss eines Urothelkarzinoms unbedingt durchzuführen.