operative Therapie

Für Patienten mit einer über einem Jahr postoperativ bestehenden Belastungsinkontinenz wird eine operative Therapie empfohlen.

In den letzten Jahren wurden zahlreiche minimal-invasive Verfahren zur Behandlung der Belastungsinkontinenz entwickelt. Diese teilweise adjustierbaren (z.B. Reemex®, Argus®-Schlinge) und teilweise nicht-adjustierbaren (InVance®) Schlingensysteme sowie das Pro-Act®-System basieren auf dem Prinzip einer Kompression der Urethra.

Mit der AdVance®-Schlinge (Abb.1) erfolgt eine funktionelle Korrektur des durch die radikale Prostatektomie disslozierten Schließmuskelsystems. Dabei wird davon ausgegangen, dass es bei zahlreichen Patienten während der Prostataentfernung nicht zu einer direkten Verletzung des Schließmuskels kommt, sondern durch die Entfernung der Prostata eine  Lockerung der Haltestrukturen des Schließmuskels und somit eine Senkung der hinteren Harnröhre (Urethra) erfolgt. Mögliche Folge ist ein Versagen des sogenannten integralen Systems mit nachfolgender Belastungsinkontinenz. Durch eine Repositionierung kann die Kontinenz wiedererlangt werden (Abb. 2).

Seit 2010 ist die 2. Generation der AdVance®-Schlinge, die AdVanceXP®-Schlinge (Abb. 3) auf dem Markt. Durch kleine Häckchen im Bandverlauf wird das Risiko eines Verrutschen der Schlinge in der Heilungsperiode durch zu starke körperliche Belastung vermindert, nichts desto trotz wird eine postoperative körperliche Schonung empfohlen (siehe Merkblatt).

 

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Abb. 1: AdVance®-Schlinge

 

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Abb. 2: Kernspinuntersuchung vor und nach Einlage einer AdVance®-Schlinge – die rote Linie stellt das Ausmaß der Repositionierung nach Einlage der Schlinge dar.

 

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Abb. 3: Kleine Häkchen bei der AdVanceXP®-Schlinge

 

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Abb. 4: Lage der AdVance®- bzw. AdVanceXP®Schlinge

 

Operative Technik

Über einen Schnitt im Dammbereich unterhalb des Hodensacks und vier winzige Schnitte in der Leiste erfolgt die Einlage der AdVance®-Schlinge. Dabei wird die Schlinge unterhalb der hinteren Harnröhre platziert (Abb.3).

Voraussetzung für den Erfolg der AdVance/AdVanceXP®-Schlinge ist aber eine gute Restfunktion des Schließmuskels. Bei Patienten, die diese Voraussetzungen erfüllen, können bei Belastungsinkontinenz nach radikaler Prostatektomie Erfolgsraten von bis zu 80% erreicht werden. Allerdings erfordert die perfekte Positionierung der AdVance/AdVanceXP®-Schlinge einige Erfahrung. Die Behandlung von belastungsinkontinenten Patienten nach zusätzlicher Bestrahlung sollte nur durch geübte und erfahrene Hand erfolgen. Komplikationen sind bei der AdVance/AdVanceXP®-Schlinge selten. Die häufigste Komplikation ist eine temporäre Restharnbildung bei circa 20% der Patienten und leichter Diskomfort im Bereich des Damms. Aber bereits nach 3 Monaten ist keine signifikante Veränderung von Restharn und Harnstrahl im Vergleich zu den präoperativen Daten nachweisbar. Eine Druckatrophie der Harnröhre oder gar Harnröhrenarrosion ist aufgrund der fehlenden Harnröhrenkompression sehr unwahrscheinlich.

Bei Patienten mit einem zerstörtem Schließmuskel oder schlechter Restfunktion des Schließmuskels kann mit der AdVance/AdVanceXP®-Schlinge keine zufriedenstellende Verbesserung erreicht werden.

Der künstliche Schließmuskel (artifizieller Sphinkter AMS 800®) galt über Jahrzehnte als der Goldstandard für die Behandlung der höhergradigen Belastungsinkontinenz nach radikaler Prostatektomie (Abb. 5). Hierbei handelt es sich um ein ausgereiftes und langjährig erprobtes System mit dauerhaft hohen Kontinenzraten von bis zu 90% in Langzeit-Untersuchungen. Allerdings sind mit diesem System hohe Kosten, Materialverschleiß mit notwendigem Materialaustausch (durchschnittlich alle 8-10 Jahre), mechanische Komplikationen, ein Infektionsrisiko, das Risiko einer Harnröhren-Arrosion oder Harnröhren-Atrophie, sowie mentale und manuelle Mindestanforderung an den Patienten verbunden.

Das Alter des Patienten sollte bei der Wahl der Therapieoption heute keine Rolle mehr spielen. Keine Studie konnte bei alten Patienten schlechtere Ergebnisse im Gegensatz zu jüngeren Patienten zeigen. Allerdings sollte vor allem beim Einsatz des künstlichen Schließmuskels auf das Vorhandensein von manuellen und mentalen Fähigkeiten der Patienten großer Wert gelegt werden.

Eine Alternative zum künstlichen Schließmuskel bei schlechter Restfunktion des eigenen Schließmuskels stellen die sogenannten adjustierbaren Schlingen. Die Argus®-Schlinge beispielsweise besteht aus einem weichen Silikonpolster, das an 2 Silikonbändern fixiert ist (Abb. 6). Die Silikonbänder können entweder retropubisch (Argus classic®) oder transobturatorisch (ArgusT®, Abb. 7) platziert werden und werden in der Folge mit Silikonscheiben („Washers“) in Position gehalten. Mit dieser Schlinge wird eine Erhöhung des urethralen Widerstandes hervorgerufen und somit die Kontinenz wieder hergestellt. Bei nicht ausreichendem urethralen Widerstand kann jederzeit im Rahmen eines kleinen operativen Eingriffs der Widerstand erhöht werden (=Adjustierung).

 

Verhaltensregeln nach Einlage einer Advance®-Schlinge

Verhaltensregeln nach Einlage einer Phorbas®-Schlinge

Verhaltensregeln nach Einlage eines künstlichen Schließmuskels (AMS 800®)

 

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Abb. 5: Künstlicher Schließmuskel AMS 800®

 

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Abb. 6: ArgusT®-Schlinge

 

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Abb. 7: Lage der ArgusT®-Schlinge