Gegenwart und Zukunft

Neuromuskuläre Erkrankungen bringen besondere Anforderungen für Krankenversorgung und klinische Forschung mit sich. Es handelt sich um eine Vielzahl unterschiedlicher sowie seltener Erkrankungen, die sowohl Kinder als auch Erwachsene betreffen. Neuromuskuläre Erkrankungen sind erbliche und nicht-erbliche Erkrankung des Skelettmuskels und/oder des peripheren Nerven (ggf. mit Beteiligung des Herzen und anderer Organe), die häufig zum Funktionsverlust des Muskels (Lähmungen), Einschränkung der Lebenserwartung und schwerer Behinderung führen. Derzeit ist leider nur in wenigen Fällen eine kausale Behandlung möglich.

Daraus ergibt sich für die Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen die Notwendigkeit einer integrierten Versorgung (Neurologie, Pädiatrie, Orthopädie, Kardiologie, Humangenetik, Physikalische Therapie, psychosoziale Betreuung) sowie die Notwendigkeit einer hoch spezialisierten Versorgung. Häufig haben die Patienten eine jahrelange Odyssee hinter sich, bis sie eine adäquate Diagnose und Therapie erhalten. Erschwerend wirkt sich auch, aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen, das Desinteresse der Pharmaindustrie und häufig auch der medizinischen und wissenschaftlichen Fachwelt aus, was auch zu geringe finanzielle Unterstützung für die Forschung nach sich zieht („orphan disease“).

Das Friedrich-Baur-Institut hat sich zur Aufgabe gesetzt, diese besonderen Anforderungen in Krankenversorgung, Forschung und Lehre zu erfüllen. In den Einheiten Krankenstation, neuromuskuläre Spezialambulanz, Myologisches Labor (Diagnostik) und Labor für Molekulare Myologie (Forschung) sind mehr als 50 ärztliche und nicht-ärztliche Mitarbeiter beschäftigt und stellen so eine integrierte Versorgung der Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen sicher. Pro Jahr werden mehr als 800 Patienten stationär und mehr als 3000 Patienten ambulant versorgt, sowie an die 600 Muskelbiopsien prozessiert und befundet. Damit nimmt das Friedrich-Baur-Institut, sowohl quantitativ als auch qualitativ, eine einmalige Stelle in Deutschland und eine führende Rolle in Europa ein. Dabei ist es dem Institut in Zusammenarbeit mit dem Klinikum der LMU gelungen, die Kosten für die Krankenversorgung trotz Einführung der Fallpauschalen (DRG) über Einnahmen (Krankenkassen, Klinikum) zu decken. Zudem bildet die Krankenversorgung die unverzichtbare Basis für klinische Spitzenforschung.

Ausbildung und Lehre werden in enger Kooperation mit der Neurologischen Klinik und Poliklink durchgeführt. Medizinstudenten werden in Vorlesungen und praktischen Übungen am Krankenbett ausgebildet (etwa 240 Studenten pro Jahr). Seit 2000 haben fünf ärztliche Mitarbeiter ihre Facharztausbildung in Neurologie erfolgreich am Friedrich-Baur-Institut abgeschlossen. Der wissenschaftliche Nachwuchs erhält im Rahmen von Forschungsprojekten des Instituts die Möglichkeit zur Promotion (Medizin, Humanbi ologie, Biochemie), seit 2000 wurden 20 Promotionen abgeschlossen, vielfach mit Prädikatsexamen. Des Weiteren wurden in den letzten Jahren sechs Kolleginnen und Kollegen habilitiert.

In den letzten fünf Jahren wurden von den WissenschaftlerInnen des Instituts mehr als 100 Originalarbeiten in hochrangigen wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht (einschließlich Nature, Nature Genetics und Science) sowie externe, projektbezogene Forschungsmittel in Höhe von ca. 500.000 Euro/Jahr eingeworben (DFG, BMBF, EU, Stiftungen). Das Institut und seine Mitarbeiter spielen eine führende Rolle in deutschen und europäischen Konsortien (MD-NET, EuroBioBank, Network of Excellence TREAT-NMD). Schwerpunkte der Forschung sind erbliche Muskel- und Nervenerkrankungen, entzündliche Muskelerkrankungen sowie innovative Therapieansätze.

Ein besonderes Augenmerk des Friedrich-Baur-Instituts gilt in Zukunft klinischen Studien und der translationalen Forschung. Wissenschaftlicher Fortschritt soll sich schneller als bisher auch für die Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen auswirken. Für die Patienten mit neuromuskulären Krankheiten hat die Entwicklung neuer und besserer Therapien höchste Priorität. In den letzten Jahren hat die molekulare Medizin große Fortschritte bei der Entwicklung innovativer Therapieansätze gemacht (Zellkultur, Tierversuche), von denen Patienten jedoch noch nicht profitieren. Der Engpass liegt derzeit in der unzureichenden Umsetzung dieser Erkenntnisse in Form von klinischer Forschung (translationale Forschung, klinische Therapiestudien). International haben eine Reihe molekularer Therapiestudien begonnen oder sind in Planung (Deutschland, USA, Frankreich, England, Niederlande).

Ziele des Friedrich-Baur-Instituts für die nächsten fünf Jahre sind demnach:

  • Weitere Optimierung der Versorgung von neuromuskulären Patienten
  • Konzentration auf die Kernkompetenzen (erbliche und entzündliche Muskel-/Nervenerkrankungen)
  • Besondere Anstrengungen im Bereich der Therapieforschung (innovative Therapien, klinische Studien)
  • Ausbau der nationalen und internationalen Wissenschaftskooperationen