Nervenhistologie

Siehe auch die Informationen zur Einsendung.

Indikationen für Nervenbiopsien

Nervenbiopsien stehen am Ende einer diagnostischen Kette und dienen der Diagnosesicherung, vor allem bei Verdacht auf eine entzündliche Neuropathie (siehe vaskulitische Neuropathien). An erster Stelle steht die Vaskulitis (Entzündung der Gefäße), die isoliert im peripheren Nerv auftreten kann oder als systemische Erkrankung mit zusätzlicher Multiorgan-Beteiligung. In diesem Fall ist eine Biopsie möglichst zeitnah nach Beginn der Symptomatik anzustreben, bevor anti-inflammatorische und immunsuppressive Medikamente zum Einsatz kommen und den Nachweis entzündlicher Veränderungen im Nervengewebe abmildern oder gar ganz verhindern. Falls möglich, kann eine gleichzeitig durchgeführte Muskelbiopsie die Trefferquote zum Nachweis einer Vaskulitis erhöhen. Auch die Infiltration des peripheren Nerven durch Tumorzellen, z.B. bei einem Lymphom ist bioptisch nachzuweisen. Zu den entzündlichen Neuropathien zählt auch die chronisch-inflammatorisch demyelinisierende Polyradikuloneuroapthie (CIDP) und ihre Varianten. Bei der CIDP trägt die Nervenbiopsie neben einer häufigen Liquor-Eiweißerhöhung und typischen elektrophysiologischen Befunden zur Diagnosesicherung bei und wird aus diesem Grund z.B. von der American Academy of Neurology (AAN) gefordert.

Seltene Gründe für eine Nervenbiopsie sind der Verdacht auf eine Neuropathien bei Sarkoidose, Amyloidose oder, wenn auch in Europa selten, bei Lepra. Speichererkrankungen lassen sich meistens durch Enzym-Aktivitätsbestimmungen in Leukozyten nachweisen, in unklaren Fällen ist die Biopsie hilfreich.

Auswahl der Biopsiestelle und Durchführung

Ein biopsierter Nerv sollte immer klinisch und elektrophysiologisch betroffen sein. In der Regel wird der Nervus suralis (ein sensibler Nerv) hinter dem Fuß-Außenknöchel entnommen. Ist dieser Nerv vom Krankheitsprozess ausgespart, wird nach ausführlicher elektrophysiologischer und klinischer Untersuchung ein anderer Nerv ausgewählt.

Biopsien werden in unserem Institut während eines kurzen stationären Aufenhaltes von der Abteilung für Handchirurgie und Plastische Chirurgie (Leitung Prof. Dr. Giunta, LMU München) durchgeführt. Der Eingriff erfolgt in lokaler Anästhesie. Wundheilungsstörungen sind selten, zusätzliche Sensibilitätsstörungen im Versorgungsgebiet des entnommenen Nerven können auftreten.

Anzustreben ist immer eine Nervenentnahme im gesamten Querschnitt, was die Aussagekraft gegenüber einer Faszikolotomie (Teilentnahme des Nerven) deutlich erhöht und zu keiner vermehrten Neurombildung führt. Viele Krankheitsprozesse laufen im peripheren Nerven fokal und/oder segmental ab und werden daher durch eine Teilentnahme des Nerven nicht entdeckt.

Hat der Patient einer Nervenbiopsie zugestimmt, sollte ein nicht zu kleines Nervenstück entnommen werden, um eine komplette optimale Aufarbeitung zu gewährleisten inklusive eines Einzelfaser-Teasing (Einzelfaser-Zupfen; s. unten).

Es besteht die Möglichkeit, auswärts durchgeführte Nervenbiopsien an uns zu schicken (siehe Einsendung für Nervenhistologie). Vor Durchführung/Versenden der Biopsie bitten wir um Kontaktaufnahme mit unserem Labor.

Untersuchungen am Nervengewebe

Der entnommene Nerv wird wie folgt aufgeteilt:

  • Kryokonservierung (tiefgefroren) für zytochemische Färbungen
  • Paraffin-Einbettung für histologische (H&E, Kongorot) und immunhistochemische Färbungen
  • Kunststof-Einbettung (EPON) für den Semidünn-Schnitt und in ausgewählten Fällen für elektronenmikroskopische Untersuchungen

Bis auf die Elektronenmikroskopie werden alle Analysen im Friedrich-Baur-Institut durchgeführt.

Histologie

Immunhistologische Untersuchungen sind Standard in der Biopsiediagnostik. Sie dienen dem Nachweis entzündlicher Prozesse und ihrem Verteilungsmuster im peripheren Nerven, die zum einen an den epineuralen Gefässen, zum anderen in den Nervenfaszikeln (endoneural) ablaufen können. Auch die Ablagerung spezifischer Speicherprodukte (z.B. sulfatidhaltiges Material bei der metachromatischen Leukodystrophie) und Amyloid-Ablagerungen sind hier nachweisbar.

Am kryokonservierten Nativ-Material ist ein breiteres Spektrum von Zellen und ihrer Mediatoren detektierbar, die am Entzündungsprozess beteiligt sind. Die Erhaltung des asservierten Biopsiegewebes in der Paraffin-Einbettung ist sehr gut und lässt sich viele Jahre ohne großen Aufwand lagern.

Für das Einzelfaser-Teasing (Zupfen) einzelner Axone ist die Asservierung eines zusätzlichen Nervenstücks erforderlich. Diese Untersuchung ermöglicht den Nachweis einer zugrunde liegenden Demyelinisierung und erhöht die Diagnosestellung vor allem bei der chronisch inflammatorisch demyelinisierenden Polyradikuloneuropathie (CIDP).

Semidünn-Schnitt (Kunststoff-Einbettung)

Nur im Semidünn-Schnitt lassen sich die myelinisierten Axone und ihre Dichte-Verteilung in den einzelnen Faszikeln beurteilen. Er ist besonders wichtig zur Differenzierung zwischen primär axonaler und demyelinisierender Neuropathie. Außerdem liefert er Informationen, wie ausgeprägt die Neuropathie ist, ob sie schon länger besteht, ob sie noch aktiv ist und ob Regenerationszeichen vorhanden sind.

Nur am in Kunststoff eingebetteten Gewebe ist eine elektronenmikroskopische Untersuchung möglich.

Ultrastrukturelle Untersuchungen (Elektronenmikroskopie)

In ausgewählten Fällen werden Ultradünn-Schnitte gefertigt und elektronenmikroskopisch untersucht.

Beispiele